Von Regensburg bis Rimini – Auf der Brennerroute über die Alpen
Neue Forschungsergebnisse zur Römerstraße von Pontedrusi bis Veldidena
Was heute in fünf Stunden per Auto möglich ist, dauerte in der Antike mindestens fünf Tage: die Überquerung der Alpen über den Brennerpass. Archäologe Günther Kaufmann vom Südtiroler Archäologiemuseum legt in Band 52 der Veröffentlichungen des Südtiroler Landesarchivs neue Erkenntnisse zu dieser antiken Verkehrsachse vor – erstmals in einer Gesamtschau für den Abschnitt von Bozen bis Wilten/Innsbruck.
Der römische Hauptverkehr führte zunächst über die berühmte Via Claudia Augusta von Verona über den Reschenpass nach Augsburg. Sie war Teil der Eroberungspolitik nördlich der Alpen unter dem römischen Kaiser Augustus (63 v.Chr. bis 14 n.Chr.) und verband Bozen (Pons Drusi) mit Augsburg, der Hauptstadt der Provinz Raetien.
Parallel dazu entstand aber schon im 1. Jh. n. Chr, vermutlich unter Kaiser Claudius eine neue Straße über den Brennerpass: Nach Germaneneinfällen wurde die Route über den Brenner ab dem späten 2. Jh. zum wichtigen Militärweg, mit Anschluss an das Legionslager in Regensburg (Castra Regina). Die Straße blieb bis zum Ende des Römischen Reichs in Benutzung und wurde auch instandgehalten. Im Hochmittelalter verfiel sie zusehends, während alternative Wege wie die Höhenstraße über den Ritten mit Halt an der klösterlichen Kommende Lengmoos.bevorzugt wurden.
Trotz ihrer langen Nutzungsgeschichte ist kein antiker Name überliefert – die Brennerroute bleibt eine via anonyma. Kaufmann rekonstruiert nun erstmals den Verlauf dieser der Straße nahezu lückenlos – mit Hilfe bereits dokumentierter Streckenabschnitte und römischer Meilensteine, historischer Schriftquellen, Flur- und Ortsnamen sowie neuer archäologischer Grabungsbefunde aus dem Eisacktal.
Dabei gelang es ihm auch, ein seit langem bekanntes Rätsel in römischen Karten und Itineraren (Tabula Peutingeriana, Itinerarium Antonini) zu lösen: In den Entfernungs-Angaben der Raststätten nördlich der Alpen steckte ein systematischer Fehler – mit bis zu 20 Kilometern Abweichung. Kaufmann konnte die Fehlerquelle eliminieren, indem er die Inschriften von vorhandenen und in diversen Museen verstreuten Meilensteinen mit den Angaben der römischen Reisehilfen in ein Beziehungsraster brachte und verorten konnte. Sein Ergebnis: „Damit lässt sich die Route endlich plausibel ablesen: Die Straße verlief fast durchgehend am orografisch linken östlichen Ufer des Eisack und querte den Fluss erstmals bei Sterzing. Eine Nebenstraße vom Pustertal vereinigte sich dann mit der Brenneroute nördlich von Brixen.“
Kaufmanns Arbeit zeigt auf, dass die Brennerstraße mit Unterbrechungen bis ins Frühmittelalter intensiv befahren und begangen wurde. Heute ist sie eine der wichtigsten Verkehrsachsen Europas für Handel und Tourismus zwischen der Nord- und Südseite der Alpen.
„Die Arbeit ist ein wichtiger Teil archäologischer Grundlagenforschung, die das Südtiroler Archäologiemuseum auch neben dem Schwerpunkt ‚Mann aus dem Eis‘ weiterhin betreibt und publiziert“, ergänzt Museumsdirektorin Elisabeth Vallazza und kündigt an: „In den kommenden Monaten werden auch noch weitere wissenschaftliche Publikationen zu Ausgrabungen auf Säben und zur Archäologiegeschichte des 20. Jahrhunderts erscheinen.“
Fotos:
römischer Meilenstein aus Blumau © Museumsverein Stadtmuseum Bozen
überbauter Brückenkopf in Blumau © Galliazzo, Via Claudia Augusta
Tabula Peutingeriana mit dem Streckenabschnitt zwischen Trient und Wilten/Innsbruck © Wikimedia
Günther Kaufmann (c) Sütiroler Archäologiemuseum / Angelika Schwarz
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