Ötzis letzter Aufstieg

(c) Port au Prince Filmproduktion

Ötzis letzter Aufstieg

 

Ötzi, der Mann aus dem Eis, überrascht uns immer wieder. Seine mit ihm eingefrorene Ausrüstung gehört zu den ältesten archäologischen Nachweisen, die uns Genaueres über das Leben und Überleben in der Kupferzeit erzählen können. Ötzi ist aber auch als Individuum mit seiner persönlichen Lebensgeschichte spannend. Mumien wie er können zwar nicht sprechen, aber sie verraten uns doch, unbeabsichtigt oder nicht, so einiges über ihren Lebensstil und, wie im Fall von Ötzi, über die letzten Stunden in seinem Leben vor über 5.000 Jahren. An uns liegt es dann, die Schlüsse zu ziehen.

 

Klaus Oeggl von der Universität Innsbruck und James Dickson von der Universität Glasgow sind Paläobotaniker. Sie untersuchen seit Jahren Moose und Flechten in Südtirol und ihre Verbreitung an Orten und in Epochen. Nun legten sie eine Studie vor, die Moose und Flechten am Körper und der Kleidung sowie im Magen- und Darminhalt von Ötzi dokumentiert. 75 verschiedene Moose spürten Dickson, Oeggl und ihre Mitarbeiter*innen auf.

Das Interessante daran: die meisten dieser Moose kommen auf über 3000m vor, also in der Schneeregion, wo die Fundstelle von Ötzi liegt. 21 dieser Moose wachsen auch heute noch dort. Ein Drittel der Moose dagegen, die Ötzi absichtlich oder unabsichtlich bei sich trug, stammen nicht aus der hochalpinen Zone, sondern sind nur im Talgrund heimisch, viel tiefer gelegen, als die Botanik ursprünglich für den Startpunkt von Ötzis letzter Wanderung ausgemacht hatte.

Welchen Schluss ziehen Oeggl und Dickson daraus? Sie rekonstruierten, dass Ötzis Marsch (oder seine Flucht?) 24 bis 48 Stunden vor seinem Tod nicht erst in 2500m Höhe begann, wie bisher gedacht, sondern dass er zunächst erst auf 600 bis 800m abstieg bis zum Talboden ins Vinschgau. Dort, am schroffen Eingang in das Schnalstal, kreuzten das Glatte Neckermoos (neckera complanata) und Torfmoose (Sphagnum) seinen Weg. Kurze Zeit darauf machte sich Ötzi wieder an den kräftezehrenden Aufstieg auf das 3250m hoch gelegene Tisenjoch. Das wäre eine sportliche Höchstleistung. Oder ein weiteres Argument für eine Flucht?

 

Foto: Szene aus dem Film „Iceman“ von Felix Randau (c) Port au Prince Filmproduktion, Berlin

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