Der Mann aus dem Eis war bestens auf die Herausforderungen seiner alpinen Umwelt vorbereitet. Das Jagen mit Pfeil und Bogen und Zerlegen der Tiere mit dem Dolch, das Herstellen und Reparieren von Ausrüstungsteilen sowie das Feuermachen gehörten für ihn zur Routine. Er kannte die Eigenschaften der zur Verfügung stehenden Rohstoffe bestens. Er wusste, welches Holz für die Herstellung von Pfeilen geeignet war, wie man einen Bogen schnitzte, er schärfte mit seinem Retuscheur Feuersteingeräte nach und flickte seine Kleider mit Grashalmen. Das Kupferbeil konnte sowohl als Waffe als auch zum Holzfällen verwendet werden. Nur eines trug Ötzi nicht mit sich: Keramik. Und genau die ist für die archäologische Zuordnung zu einer bestimmten Kulturgruppe ausschlaggebend. Keramikscherben sind oft sehr charakteristisch und aus Gräbern und Siedlungen in großer Zahl erhalten. Aber es ist natürlich verständlich, dass Ötzi seine Vorräte nicht in schweren und zerbrechlichen Keramikkrügen mit sich getragen hat, sondern in einer leichten Rückentrage oder in Birkenrindengefäßen. Ötzis Ausrüstung ist in ihrer Vielfalt und ihrem ausgezeichnetem Erhaltungszustand weltweit einzigartig und hat uns völlig neue Einblicke in das Leben der Kupferzeit ermöglicht.


Kupferbeil

Ötzis Beil ist vollständig erhalten und das ist weltweit einzigartig. Die Klinge besteht aus fast 99,7 % reinem Kupfer und ist trapezförmig. Der Knieholmschaft wurde aus Eibenholz gefertigt und ist ca. 60 cm lang. Die Kupferklinge ist mit Birkenteer im Schlitz des Knieholms fixiert und der Schaft zusätzlich zur Stabilisierung der Klinge mit Lederstreifen umwickelt worden. Die Klinge war zuerst in eine Form gegossen und nach dem Erkalten noch durch Dengeln verdichtet worden. Gebrauchsspuren zeugen davon, dass das Beil häufig eingesetzt worden ist und deshalb nachgeschärft werden musste. Das Kupfer der Klinge stammt nicht aus dem Alpenraum, sondern aus Mittelitalien: Eine Forschergruppe fand heraus, dass das Metall aus südtoskanischem Erz gewonnen wurde.

Rangabzeichen, Waffe oder Werkzeug

Kupfer war das erste Metall, aus dem die Menschen Waffen und Werkzeuge herstellten. Um 4000 vor Christus gelangte das Wissen um Abbau und Verarbeitung von Vorderasien nach Mitteleuropa. Ab ca. 3000 vor Christus besaßen ranghohe Männer ein Kupferbeil, oft wurde es ihnen auch als Grabbeigabe mitgegeben. Mit einem Kupferbeil konnte man nicht nur Holz bearbeiten und Bäume fällen, es war auch eine mächtige Nahkampfwaffe. War Ötzi also ein Anführer? Bis heute stellt sich aber die Frage, wieso der Angreifer das wertvolle Kupferbeil nicht an sich genommen hat, sondern es beim Toten zurückgelassen hat. Hätte es ihn vielleicht als Mörder verraten?

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Ötzis Kupferbeil ist weltweit einzigartig.

Klinge und Schaft sind in ausgezeichnetem Zustand und verraten, wie ein Beil in der Kupferzeit genau aufgebaut war.


 

Bogen

Ötzi trug einen 1,82 m langen Stab aus Eibenholz bei sich, der deutliche Bearbeitungsspuren zeigt. Aus diesem Stab fertigte sich der Mann aus dem Eis Schritt für Schritt und mithilfe seines Beils einen neuen Bogen. Der Rohling war schon fast fertig, er hätte nur noch geglättet und mit einer Bogensehne versehen werden müssen. Warum Ötzi einen neuen Bogen brauchte, ist unklar. Vielleicht ist sein alter Bogen zu Bruch gegangen oder gestohlen worden. Versuche mit einem Nachbau des Bogens haben gezeigt, dass tödliche Schüsse auf Tiere oder Menschen aus 30 bis 50 m damit problemlos möglich sind.


Der Köcher und sein Inhalt


Für den Transport der Pfeile besaß der Mann aus dem Eis einen Köcher aus Rehfell. Eine Haselrute versteifte den langen und schmalen Fellsack, so dass er bequem um die Schulter getragen werden konnte. Der Trageriemen fehlt. Oben wurde der Köcher mit einer sogenannten Flügelkappe verschlossen, diese ist mit eingenähten Lederbändern versehen. Im Köcher fand man 12 Pfeilschäfte und zwei vollständige Pfeile. Die Pfeile sind aus Ästen des Wolligen Schneeballs und von Hartriegel gefertigt, die entrindet und geglättet wurden. Ein Ende weist eine Einkerbung auf, in die eine Pfeilspitze gesteckt werden konnte. Zwei Pfeile verfügen über eine Pfeilspitze aus Silex, die mit Birkenteer in die Einkerbung eingeklebt und mit Pflanzenfäden umwickelt ist. Am hinteren Ende des Pfeils finden sich Reste der Befiederung. Diese sollte den Pfeil im Flug stabilisieren. Die Federn waren ebenfalls mit Birkenteer und Fäden befestigt. Im Köcher fanden sich noch andere Gegenstände wie vier Hirschgeweihspitzen – vielleicht zum Häuten von erlegten Tieren – und eine zwei Meter lange Bogenschnur aus Tiersehnen.

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Ötzi besaß einen unfertigen Bogen und mehrere Pfeile im Köcher

Der Bogenstab aus Eibenholz war noch unfertig und auch die meisten Pfeile im Köcher waren nicht schussbereit.


 

Feuersteindolch

Ötzis besaß einen funktionalen Steindolch. Die Klinge ist aus Feuerstein, der Griff aus Eschenholz. Ötzis Dolch ist der einzige vollständig erhaltene aus der Kupferzeit.

Ötzi trug einen etwa 13 cm langen Dolch mit sich, der aus einer Feuersteinklinge und einen Griff aus Eschenholz besteht. Die Klinge wurde in den gespaltenen Griff geschoben und mit Tiersehnen umwickelt. Am Griffende ist eine Schnur befestigt. Zum Dolch gehört eine 12 cm lange, geflochtene Scheide aus Lindenbast. Seitlich befindet sich eine kleine Lederöse, mit der der Dolch wahrscheinlich am Gürtel befestigt war. Die Scheide ist deutlich größer als die Dolchklinge. Die Klinge ist sehr klein, kaum größer als eine Pfeilspitze. Vielleicht weil sie schon oft nachgeschärft worden ist. Um Feuersteinwerkzeug nachzuschärfen, hat Ötzi mit seinem Retuscheur kleine Splitter abgedrückt. Untersuchungen haben gezeigt, dass der Feuerstein (Silex) aus dem Trentino stammt.


Retuscheur

Ötzis Retuscheur, ein weltweit einzigartiges Handwerksgerät. Der Mann aus dem Eis führte ein Spezialgerät mit sich, mit dem er Feuersteinklingen schärfen konnte.

Ein Objekt in Ötzis Ausrüstung gab der Forschung zunächst Rätsel auf. Es handelt sich um ein ca. 12 cm langes Gerät, bestehend aus einem entrindeten Lindenast, das wie ein Bleistift zugespitzt ist. An der Spitze ragt ein schwarze „Mine“ hervor. Dabei handelt es sich um einen dünnen Splitter eines Geweihs. Dieser Stift ist dann genau in die Mitte des Asts eingeschlagen worden. Experimentalarchäologische Versuche haben gezeigt, dass dieses Gerät zum Bearbeiten („Retuschieren“) von Feuersteinwerkzeugen gedient hat. Zunächst wurde der Feuerstein (Silex) grob in Form gehauen, die Feinarbeit um eine scharfe Klinge herzustellen, wurde dann mit dem Retuscheur erledigt. Er wurde auch zum Nachschärfen der Werkzeuge und Waffen verwendet. War der Geweihstift stumpf geworden, wurde das Gerät wie ein Bleistift „nachgespitzt“. Dieses Gerät war vor der Auffindung von Ötzi völlig unbekannt und hat der Archäologie einen ganz neuen Blick auf die Werkzeuge und Methoden der Kupferzeit eröffnet.





Birkenrindengefäße

Im Umfeld der Mumie wurden auch zwei Birkenrindengefäße gefunden. Zylindrische Dosen mit einem Durchmesser von 15-18 cm und einer Höhe von ca. 20 cm. Dafür wurde ein einziges großes Rindenstück vom Baum abgelöst und mit Lindenbast zusammengenäht. Als Boden diente ein rundes Stück Birkenrinde, das ebenfalls angenäht worden ist. Eines der Gefäße ist innen schwarz gefärbt und enthielt frisch gepflückte Blätter des Spitzahorns und Holzkohlefragmente. Man geht davon aus, dass Ötzi glühende Holzkohlestücke in Blätter eingewickelt und im Birkenrindengefäß mitgetragen hat. So konnte die Glut mehrere Stunden aufbewahrt und in wenigen Sekunden ein neues Feuer entfacht werden. Birkenrindengefäße sind extrem leicht und robust. In einigen Teilen der Welt, wie etwa im nahen Trentino, werden sie bis heute hergestellt und sind Teil der lokalen Handwerkstradition.
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Der Mann aus dem Eis und seine Birkenrindengefäße

Bei der Mumie wurden zwei Behälter aus Birkenrinde gefunden, die wohl zum Transport von Holzkohle benutzt wurden.


 

Rückentrage

Die Rückentrage aus Holz verfügte vielleicht über einen Fellsack oder ein Netz, in dem Habseligkeiten transportiert werden konnten.

Ein gebogener ca. 2 m langer Haselstock und zwei schmale Holzbrettchen (38-40 cm lang) sind leider das einzige, was von Ötzis Rückentrage übrig geblieben ist. Die Holzbrettchen und der Haselstock waren vermutlich mit Schnüren verbunden und an diesem Gerüst war wahrscheinlich ein Fellsack oder ein Netz befestigt. Rückentragen aus Holz haben im Alpenraum eine lange Tradition. Mit ihnen wurde beispielsweise Brennholz transportiert.



Steinscheibe

Auf einer Art Quaste aus dünnen gedrehten Fellstreifen ist am oberen Ende eine Steinscheibe aus Dolomitmarmor eingefädelt. Was zunächst als Talisman gedeutet wurde, wird heute als sogenannter Hühnergalgen angesprochen. In der Vogeljagd werden bis heute die erlegten Tiere mit Schlingen um den Kopf am Gürtel aufgehängt. Die Steinscheibe wurde von Ötzi dabei hinter dem Gürtel durchgezogen und so fixiert.


Birkenporling

Zu Ötzis Ausrüstung gehören auch zwei Stücke eines Baumschwamms, des Birkenporlings, die auf Fellstreifen aufgefädelt sind. Man geht davon aus, dass die Birkenporlinge therapeutischen Zwecken gedient haben, da bis ins 20. Jahrhundert Baumschwämme zu Heilzwecken eingesetzt worden sind. Dem Birkenporling wird eine antibiotische und blutstillende Wirkung nachgesagt.

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Utensilien zur Jagd und Ötzis Hausapotheke

Ötzi trug eine Quaste mit einer Steinscheibe bei sich sowie Stücke des Birkenporlings, der vermutlich zu therapeutischen Zwecken verwendet wurde.